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Donnerstag, 29. Juli 2004
Barrierefreiheit vs. verkrusteten Strukturen im öffentlichen Dienst
Kommentar
Mit einigen Pressemeldungen meldete sich der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Bernd Jürgen Schneider heute zu Wort.
Darin wird über die Verordnung zur Schaffung von barrierefreihen Angeboten geklagt.
Siehe zum Beispiel:
Chip.de
ZDnet
Yahoo Nachrichten

Laut Meinung von Schneider seien die Verordnungen "über das Ziel hinaus geschossen" und wirkten geradezu "kontraproduktiv". Der Programmieraufwand sei hoch und teuer.
Hervorgehoben muss auch der Satz:
Die Internet-Angebote der Städte und Gemeinden sind eine freiwillige Leistung, um den Service für die Bürger und Bürgerinnen zu verbessern.

Ich denke nicht, daß dies der Fall ist.
Eine Gemeinde hat die Pflicht sich an all Ihre Gemeindemitglieder gleichmaßen zu richten und darf nicht nach eigenen Gutdünken entscheiden, was gut für die Bürger ist.
Von einer Freiwilligkeit der Dienstleistung an die Gemeinde kann hier keine Rede sein!
Auch gesetzlich haben die Gemeinden die Pflicht auferlegt bekommen, den Bürgerservice für alle Bürger möglichst einfach und kostengünstig (für den Bürger!) zu machen.


Zudem ist die Aussagen völlig unbegründet und teilweise sachlich falsch.
Der Aufbau eines Barrierefreien Webangebots ist, bei sorgfältiger und fachkompeteter Durchführung, auf mittelfristiger Sicht kostengünstiger als die Erstellung eines Webauftritts mit herkömmlichen Mitteln.

Bei seriösen Webdesignern und Agenturen ist ein neuer Webauftritt von vorneherein gemäß den Vorgaben zur Barrierefreihet gestaltet, ohne daß es hier große preisliche Unterschiede gäbe zu einem Auftritt mit veralteter Technik.
Vielmehr noch: Seriöse Webdesigner und Agenturen bieten schon seit Monaten kein Design für neue Webauftritte an, die nicht der BITV entsprechen oder zumindest den Standard WAI -A erfüllen.

Wohl aber nutzen größere Firmen und AGenturen die Gunst der Stunde um mit dem "Zusatzangebot" Barrierefreiheit unverhältnismäßig höhere Kosten herauszuschlagen.

Dies liegt auch vorallem darin, daß beim Thema Barrierefreiheit ein Designer nicht mehr nur für den Chef oder den Bürgermeister etwas erstellt, was nur diesem gefallen muss. Stattdessen muss barrierefreies Webdesign sich an die Zielgruppen der Webseite wenden; Was unter anderem auch bedeutet, daß Design nicht mehr nur den Geschmacksvorstellungen eines älteren Beamten entsprechen darf. Teilweise muss der Designer, bzw. der Verkaufsmensch, nun viel mehr die abgegebene Arbeit begründen und wenn nötig sogar dem Auftraggeber widersprechen.

Dies stellt vorallem große Designagenturen vor einer problematischen Aufgabe: Es gilt Leistung abzuliefern, die nachhaltig ist, und nicht mehr nur Honig, die nur der Bienenkönigin mundet!
Das auch die Entscheidungsträger, die Auftraggeber von einem Webdesign, hiervon nicht immer unbedingt erbaut sind, liegt auf der Hand.
Also zu leicht fällt es diesen Personenkreisen daher, gegen die Verordnung Sturm zu laufen.

Das die Verordnungen jedoch nichts neues sind, und schon teilweise seit 2001 in Kraft sind, wird mehr oder minder absichtlich unerwähnt gelassen.
Gleichzeitig scheut man sich nicht davor, die Benutzer, also die Bürger und Bürgerinen, für welche die Personen eigentlich arbeiten sollten, in Geiselhaft zu nehmen:

Zitat: Wenn von 2009 an sämtliche kommunalen Internetseiten für Blinde und Sehbehinderte dank Technik lesbar sein sollten, sei eine Reduzierung des Internet-Auftritts unausweichlich, meinte Schneider.


Dieser Ausspruch zeigt ein großes Ausmaß an Unwissenheit in Bezug auf die Möglichkeiten die sich aus einer konsequenter Umsetzung der Barrierefreiheit ergeben, aber auch an Ignoranz und zeugt von einer Gutherrenart, wie dort offenbar mit dem Thema umgegangen wird: Lieber will man den Dienst einstellen oder verkleinern, als das man diesen innerhalb von sehr angemessenen Fristen anpasst.


Wie oben bereits gesagt: EIn höheren Mehraufwand an Kosten ist bei der Wahl einer seriösen Internetagentur nicht vorhanden.
Wohl aber Kostenersparnis durch ein besseres Angebot für den Bürger, was die Beratungszeiten durch Mitarbeiter merkbar verkleinert.

Seriöse Internetagenturen, die auch ehrlich genug sind, den Auftraggeber auf Fehler hinzuweisen und dabei Zielgerecht und nicht Auftraggebergerecht arbeiten, findet man dabei nicht unbedingt durch eine Ausschreibung im Kreis der üblichen Verdächtigen.
Auch hier gilt es umzudenken.
Wer würde heutzutage auch ein Handwerkerbetrieb im Bankenviertel suchen?

Die Suche nach einer seriösen Internetagentur sollte damit beginnen, daß man sich selbst in die Grundsätze der Barrierefreiheit einweist. Hat man dies getan, sollte man im Internet gezielt nach den Firmen suchen, die Webdesign und Beratung anbieten und dabei selbst auch anhand von Referenzen oder eigener Seiten beweisen können, daß sie barrierefreie Webseiten erstellen.
Denn versprechen kann man viel.
Und leider gibt es noch mehr unseriöse Firmen (oder vielmehr derren Verkaufsmenschen), die sowas versprechen, dabei aber nur Eurozeichen sehen.
Jede Internetagentur (unabhängig von der Größe), die nicht in der Lage ist, den eigenen Webauftritt barrierefrei zu gestalten, sollte mit Vorsicht genossen werden!


Und selbst wenn es zu viel verlangt ist, sich selbst zu informieren, kann man hierzu Experten bemühen, die während Auswahl der Agenture und dem Aufbau der Webseiten beratend beiseite stehen.
Die Stiftung Digitale Chancen, aber auch Projekte wie Einfach-für-@lle können hier helfen Kontakte zu vermitteln oder auch nur Informationen bereitstellen.


Flexible Bürgervertreter, die für das Wohl Ihrer Gemeinde kämpfen, haben alle Möglichkeiten und genug Zeit.

Nutzen Sie die Chancen und brechen Sie die Barrieren im Umfeld, im Amt, im Büro und auch in sich selbst.


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