Verband Web ohne Grenzenvorstellt:
Zitat Pressemeldung: Z.B. auf onlinekosten.de,
Zertifizierung für barrierefreie Internetseiten:
Für eine Gleichstellung beim Zugang zu Informationen im Internet möchte sich der neu gegründete Verein Web ohne Grenzen e.V. aus Mönchengladbach engagieren. Er bietet dazu vor allem Hilfestellung bei der Realisation barrierefreier Internetinhalte mit Zertifizierung an.
Und weiter im letzten Absatz:
Da es kein einheitliches Regelwerk für barrierefreie Websites gibt, vergibt der Verein Zertifizierungsstufen von drei bis fünf Sternen. Es werden in Kürze unterschiedliche Zertifizierungsarten angeboten, von einem Schnell-Check für rund 300 Euro bis hin zu einem Intensiv-Check für über 2.000 Euro. Die endgültigen Preise stehen noch nicht fest.
Auf der Homepage des Verbandes (oder doch Vereins, oder doch nur verkappte Firma?) findet man leider keine Details zur Zertifizierung.
Ausser eben 3 schmucke Bapperl (ein Kollege aus der WAI.de-Szene verfluchte mich gerade weil ich ihn drauf aufmerksam machte - er fürchtet durch die Ansicht der Logos nun Augenkrebs zu bekommen) und ein paar doch diskussionswürdige Sätze.
Auf der Seite Sicherheit durch Zertifizierung ließt man:
Unglaublich aber wahr: Einheitliche Regeln zur Definition von barrierefreie Seiten gibt es nicht. Es existieren Ansätze und Richlinien nach W3C bzw. der Web Accessibility Initiative , aber klare Grundlagen leider nicht.
Nun, ich weiß nicht, inwieweit man die BITV Checkliste in den Prioritäten I und II als Richlinien akzeptieren kann oder nicht. Aber ich denke, klar sind die Punkte der Checkliste schon. Und die BITV ist immerhin seit Beginn des Jahres verbindlich für alle Bundesbehörden.
Wie auch immer: Wer sagt es gibt nichts, aber dann in der Überschrift behauptet:
Web ohne Grenzen hat eine Zertifizierung entwickelt.
Der muss auch liefern!
Die Website an sich ist -sieht man mal von der Farbwahl ab (der ADesigner kriegt zwar kein Augenkrebs, mosert aber über seiner Ansicht nach 19 grobe Fehler bei der Ansicht für Fehlsichtige), nicht ganz schlecht.
Es gibt ein Sprungmenü direkt zum Inhalt (und dann noch zum Einloggen für zahlende Mitglieder) und das Hauptmenü orientiert sich an das Tutorial für barrierefreie Navigationsmenüs von efa.
Man kann die Site relativ gut skalieren und mit einem Small Screen Device anschauen.
leider werden die Links nicht einheitlich dargestellt (man in der einen, mal in der anderen Farbe, mal mit Unterstrich, mal ohne).
Die Ziele des Vereins klingen durchweg gut.
Die Tätigkeiten lassen sich sehen. Gehen aber leider nicht tief in Details ein. Schaut man sich die Informationen näher an, kann man ins Grübeln kommen.
Eine erste Irritation erhielt ich durch das Impressum. Dort steht:
Web ohne Grenzen® e.V. ist eine geschützte Marke im Sinne §5 Abs.3 MarkenG
Das klingt gut. Wenn auch grenzwertig. Wer registriert so ein fast allgemeinen Satz als Marke. Und wie?
Will man beim Patentamt nachschauen, erhält man jedoch erstaunlicherweise die Auskunft, daß es eine solche Marke nicht gibt?!
Einmal Fährte gerochen, möchte man mehr wissen.
Obwohl es ein Verein sein soll, sind nur 3 Personen im Impressum sichtbar. Eine Mitgliederliste scheint es derzeit nicht zu geben. 7 Personen sind in Deutschland notwendig um einen Verein zu gründen. (3 um ihn zu halten). Da es ein neuer Verein sein wird, müsste es aber noch mehr geben.
Nun gut. Wenn man mit Google nach den drei angegebenen Personen zusammen mit dem Wort "Barrierefrei" sucht, dann findet man für den
Präsidenten Klaus Walth und den Kassenprüfer Robert Brandt keine Treffer.
Lediglich Carsten Euwens ist im Web findbar als Entwickler des
Barrierefreien CMS Papoo.
(Schließt man jedoch Papoo von der Suche aus, muss man sagen, daß er wohl noch nicht viel anderes im Web gemacht hat.)
Also irgendwie sieht das alles etwas seltsam aus.
Nun ja. Man kann dazu stehen wie man will. Leute müssen leben und dazu muss man Geld verdienen.
Das ist akzeptabel und richtig.
Trotzdem erscheint es mir ungeschickt.
Jeder in der Szene um die professionelle Gestaltung barrierefreier Websites weiß, daß die Lizensierung von Websites ein extrem heißes Thema ist.
Die einen sehen darin ein Versuch, Geld von gutgläubigen kommunalen Verantworlichen abzuzocken und unliebsame Konkurrenz wegzudrängen, die anderen eine Lösung gegen die inflationäre Verwendung des Wortes "Barrierefrei".
Beide Argumente haben etwas für sich. Auf Barrierekompass.de, im Forum von Einfach-fuer-alle.de und natürlich in den einschlägigen Maillisten findet man hierzu eine große Zahl an Stellungsnahmen.
Wer also wirklich in der Lage sein will, Zertifikate auf "barrierefreie Websites" zu vergeben, der muss einfach wissen, daß eine Ankündigung eines solchen Dienstes ein entsprechendes Feedback provoziert.
Wenn man dann jedoch nichts fertiges zeigen kann außer drei putzige Bapperl, dann dient dies ganz bestimmt nicht der Glaubwürdigkeit.
Apropro Glaubwürdigkeit:
Die Texte auf der Site bzgl. der Gesetze und Fakten zur Barrierefreiheit im Internet lesen sich doch schön, oder?
Aber mir persönlich kommen die irgendwie sehr bekannt vor. Als hätte ich die schonmal in denselben Worten und Satzanordnungen gelesen....
Zum Beispiel bei efa: Gleichstellungsgesetze im Bund und in den Ländern.
Naja, wird wohl Zufall sein.
Genauso wie folgende Codefolge im Source-Code:
<script type="text/javascript" language="JavaScript1.2" src="/js/efa_fontsize.js"> ... <!-- MODUL: efa_fontsize --> <div class="modul" id="mod_efa_fontsize"><script type="text/javascript" charset="iso-8859-1"> //<![CDATA[ if (efa_fontSize) document.write(efa_fontSize.allLinks); //]]> </script></div> <!-- ENDE MODUL: efa_fontsize --></div>
Aber nein, das JavaScript kommt wirklich von einfach-fuer-alle.de. Siehe: Downloads: Wissen zum Mitnehmen.
Es darf auch verwendet werden.
Unter Berücksichtigung der Nutzungslizenzen!
Genauer gesagt: Ich vermisse die Namensnennung.
Finde ich nicht fein sowas. Aber da darf sich der Tomas drüber ärgern, wenn er Lust hat...
Ich hoffe, daß die Namensnennung nachgetragen wird.
Da ich selbst Autor von OpenSource-Skripten bin, reagiere ich etwas ungehalten darauf, wenn Leute meinen, daß man die Lizenztexte überhaupt nicht beachten braucht.
Viele Autoren arbeiten nur dafür um Anerkennung zu bekommen. Dafür kriegt man dann tolle Skripten. Viele gute und weit verbreitete Softwarelösungen basieren nur darauf.
Aber diese gute Kultur des sozialen miteinanders im Netz, dieser Teil der Netzkultur wird einfach durch solch unbedachtes Verhalten beschädigt. Es gibt nicht wenige gute Leute, die lange Zeit lang auch Software als OpenSource rausgegeben haben, doch aufgrund des fehlenden Feedbacks aufhörten...
Nun ja.
Aufgrund der beschriebenen Ungeschicklichkeiten (bei gleichzeitig professionell durchgeführten Pressearbeiten - selbst in der Wikipedia wurde auf der Seite Barrierefreies Internet ein Link zu
Web ohne Grenzengesetzt), hab ich trotz der schönen Worte der Site derzeit kein gutes Gefühl damit.
Vielleicht irre ich mich, vielleicht nicht. Vielleicht mag jemand anders dazu mehr schreiben?
Genug gelästert.
Ein solches Angebot war nicht unerwartet. Seit der Ankündigung des AbI und einer TüV-Firma eine Lizensierung zu erstellen und aufgrund anderer derartigen Angebote, war es nur eine Frage der Zeit bis jemand damit ankommt.
Es ist ein Geschäft. Wer als erster sich mit Zertifikaten etabliert, darf sich schonmal ein paar Autos bestellen. Und zur Förderung der eigenen Barrierefreiheit kriegt man die linke Autobahnspur dazu :)
Die Bapperl-Jagd nach Zertifikaten für 100%ige Barrierefreiheit ist eröffnet!
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